Mobile Palliative Care – Entwicklung und Evaluation eines sensorbasierten Monitoringsystems zur Begleitung von Menschen am Lebensende und zur Entlastung von Angehörigen in der häuslichen Pflege
03.2017 – 06.2019
Hintergrund
Angehörige stellen eine bedeutende aber vulnerable Ressource in der Betreuung von sterbenden Menschen dar. Sie ermöglichen, dass die Betroffenen am Lebensende so lange wie möglich im eigenen häuslichen Umfeld verbleiben können. Der monetäre Wert der Betreuungs-, Versorgungs- und Pflegeleistung durch Angehörige, stellt eine gewaltige Entlastung und Ressource für das Gesundheitssystem der Schweiz dar. Die häusliche Pflege- und Betreuungsarbeit kann jedoch zu körperlicher, psychischer und seelischer Erschöpfung führen so, dass pflegende Angehörige nicht nur selbst gesundheitlich gefährdet sind, sondern sich die häusliche palliative Versorgung durch Angehörige in nachteilige Krisensituationen transformieren kann.
Zentrales Anliegen der Palliative Care ist es, die Lebensqualität der Menschen am Lebensende und der pflegenden und betreuenden Angehörigen bis zum Schluss zu sichern. Studienergebnisse zeigen jedoch, dass trotz Palliative Care die Symptome der Menschen am Lebensende im häuslichen Bereich häufig nicht unter Kontrolle sind und sich die Angehörigen in der Konfrontation mit Symptomkluster des Betroffenen allein verantwortlich und überlastet fühlen. Symptom- und Situationskrisen in der häuslichen palliativen Pflege entwickeln sich unbemerkbar, und erst wenn es zu spät ist, wird professionelle Hilfe bezogen. Das Erfassen von patientenbezogenen Daten durch mobile Technologien hat sich insbesondere in der onkologischen Betreuung bereits etabliert und bewährt. Die «International Scientific Palliative Care Community» empfiehlt ausdrücklich die Verwendung von Mobile Health. Neue sensorbasierte Monitoringsysteme stehen zur Verfügung, um Vitalparameter von Menschen im täglichen Leben longitudinal zu erfassen und daraus Rückschlüsse auf Lebensqualität, Krankheitsübergänge und akute Ereignisse ziehen zu können.
Bis dato existiert noch kein international anerkanntes sensorbasiertes Monitoringsystem, mit dem die Arbeit der professionellen mobilen Palliative Care zur Sicherung häuslicher Pflegesituationen am Lebensende unterstützt und häusliche Krisen präventiv reduziert werden können. In diesem Projekt wird erstmalig ein entsprechendes Monitoring evidenzbasiert entwickelt, implementiert, getestet und einer Kosten-Nutzen-Analyse unterzogen.
Ziele der Studie
Ziel der vorliegenden interdisziplinären Studie ist die Entwicklung eines Monitoringsystems zur systematischen Symptomkontrolle, um häusliche palliative Versorgungssituationen präventiv zu stabilisieren und um unkontrollierte Krisenverläufe zu vermeiden. Neben der handschriftlichen Dokumentation von Symptomenverläufen soll ebenfalls ein Sensorsystem der Firma Biovotion (www.biovotion.com/) eingesetzt und dessen Akzeptanz eruiert werden. Das Monitoring aus Dokumentation und Sensorik soll darüber hinaus bezüglich dessen Wirksamkeit sowie Kosten-Nutzen-Verhältnis evaluiert werden.
Methodik
Das Projektdesign ist interdisziplinär angelegt und entspricht somit internationalen wie nationalen Standards bezüglich der Palliative Care Forschung. Ausgehend von der Entwicklung bis hin zur Evaluation wird der interdisziplinär Fokus sowohl projektintern als auch durch die externe Begleitung und Evaluation durch Expertinnen und Experten gesichert. Die geplanten Projektetappen werden in ein Exploratory Concurrent Mixed Methods Design eingebettet, das bezüglich der Datenerhebung als auch der Datenanalyse den Charakter einer Multiple Cross Case Study aufweist und umfassend qualitative als auch quantitative Daten bearbeitet und integriert. Neben der subjektiven Situations- und Symptomeinschätzung wird der Oberarmsensor der Firma Biovotion eingesetzt, um Puls, Sauerstoffsättigung, Hauttemperatur, Durchblutung und Bewegung zu erheben.
Das Wohlbefinden Angehöriger wird anhand der Caregiver Quality of Life Index-Cancer (CQOLC) Skala untersucht.
Die Studie wurde durch die Ethikkommission Ostschweiz (EKOS) mit der Project-ID 2017-01124 bewilligt.
Resultate
Basierend auf der subjektiven Einschätzung und den Sensordaten wird ein Notfallplan und ein Konzept für die Rollenverteilung zwischen verschiedenen Akteuren und Professionen entwickelt, um Patientinnen und Patienten sowie ihre Angehörigen zu schützen. Abschließend wird eine Evaluierung und eine Kosten-Nutzen-Analyse durchgeführt. Erste Ergebnisse werden bis Ende 2018 erwartet.
Interpretation
Die Ergebnisse werden wichtige Einblicke in die Symptombelastung von Patientinnen und Patienten am Lebensende und von pflegenden Angehörigen liefern und die Entwicklung eines Instruments zur Aufdeckung von Krisen ermöglichen. Die zukünftige Palliative Care Versorgung in der häuslichen Pflege kann durch solche gezielten Massnahmen verbessert werden und unnötige Belastungen für Patientinnen und Patienten und ihre Angehörigen vermeiden.
Pflegewissenschaften
FHS St.Gallen
Prof. Dr. André Fringer, MScN, RN
Palliativer Brückendienst der Krebsliga Ostschweiz, Institut für Informations- und Prozessmanagement und Institut für Angewandte Pflegewissenschaft IPW-FHS der FHS St.Gallen, Hochschule für Angewandte Wissenschaften
Förderung durch die Gebert Rüf Stiftung
palliative care, symptom assessment, mhealth, home care, informal caregivers